"Die ganze Welt ist weiß" - mit diesen Worten, voller Begeisterung in den jungen Morgen gerufen, wurde ich geweckt. Wochenlang hatte mein Sohn auf den ersten Schnee gewartet, jetzt war er endlich da. Weiterschlafen? Keine Chance. Pure Lebensfreude und Lebendigkeit. Hüpfen, Springen, Pfeifen, Singen, Lachen und vor allem Bewegung - so drückt sich das Leben aus, wenn mann es lässt. Und dann raus, im Schnee wälzen, auch wenn er nass ist. Schneemänner bauen, gleich zwei, Möhren als Nasen. Die guten Grillbriketts als Augen, so wie es sich gehört. Rote Kinderwangen, alles nass - egal.
Dieser ungebremste Ausdruck von Freude und Begeisterung am Morgen eines gemächlich bis müde beginnenden Erwachsenentages lässt keinen Zweifel zu: wir leben!
Für mich sind die Glückserlebnisse meines Sohnes wundervolle Geschenke, die in mir die Erinnerung daran wach rufen, was das Leben mit mir machen will. Als nächstes werden Bilder wach, sicher angeregt durch die jahreszeitliche Stimmung, die allerorts schon viel zu früh die hell erleuchteten Bäume auf die Straßen holt. Ich sehe die Engelsfigur vor mir, die in der Kirche meiner Kindheit etwas schief auf einer Wurzel steht und ein Spruchband trägt, auf dem etwas schwer zu lesen die Worte stehen: Freuet euch! Welche Botschaft könnte ein Engel sonst haben? Pass auf, gib acht, dass du nicht zu sehr in Erscheinung trittst? Das Leben ist ein Wagnis, sei vorsichtig, nicht zu viel Risiko? Das sind keine Engelsbotschaften. Das sind Menschengedanken. Engel sagen: freuet euch! Warum auch immer. Es gibt genügend Gründe und letztlich braucht es keinen. Das Leben selber ist die Freude. In der Weihnachtsgeschichte reagieren die Hirten tatsächlich wie mein Sohn am ersten Schneemorgen. Da gibt's kein Halten mehr. Wahrscheinlich wissen sie gar nicht, was los ist. Aber da wo Engel sind, ist auch das Göttliche. Also nichts wie hin.
Diese Begeisterung, dieses brennende Feuer, das nicht mehr kontrollierbar ist, diese überschäumende Lebensenergie ist nicht nur den Kindern oder biblischen Hirten vorbehalten. Sie pulsiert in jedem Moment. Meister Eckhart, der deutsche Mystiker im 14. Jhdt. sagt: Gott gebiert in jedem Nu seinen Sohn in dir (und natürlich auch seine Tochter): Wenn das kein Grund zur Freude ist.
Manchmal aber, wenn das Glück alle Erwartungen übersteigt, dann wird mein Sohn ganz still. Dann ist nur noch ein sanftes Lächeln auf seinem Gesicht. Manchmal ist die Stille die angemessene Antwort auf die Begegnung mit dem Engel.
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