Donnerstag, 20. Dezember 2012

Schon wieder Weltuntergang


Weltuntergangsstimmung ist nicht Neues: Schon die ersten "Christen" waren ziemlich enttäuscht, als sich herausstellte, dass sich die Wiederkunft Christi verzögern würde. Sie hatten Jesu Aussagen über seine Rückkehr und die Einrichtung eines Himmels auf Erden wörtlich genommen und warteten auf ein historisches Ereignis. Als das ausblieb, entstand die Kirche.

Später, um die Jahrtausendwende, gab es wieder Aufrufe, dass nun das Zeitalter des Geistes anbrechen würde und die Welt unterginge. Menschen zogen enthusiastisch in die Wüste, um auf Christus zu warten. Auch hier vergebens. Wie enttäuscht und desillusioniert müssen sie in ihren Alltag zurückgekehrt sein.

In dem apokalyptischen Text um 100 n. Chr. sagt der Autor: "Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr." (Offenbarung 21,1) Die Aussage regte Theologen, Mystiker und Esoteriker zu allen möglichen Spekulationen an.

Nun sind es die Mayas und deren astrologischen Kalendergestaltung, die Anlass gibt, an einen Übergang zu glauben. Oder ist es eher eine Hoffnung, dass durch höhere Mächte, dem Treiben hier ein Ende gemacht wird? Natürlich wirkt es aufgeklärter, nicht die spektakuläre Apokalypse zu erwarten und den Wandel eher auf der Bewusstseinsebene zu vermuten. Wer weiß.

Der Rummel um "21.12.12" reiht jedenfalls sich passgenau in die vielen apokalyptischen Vorahnungen. Eine Lust am Untergang, am "Doomsday", macht sich gut zwischen den täglichen Meldungen von Gewalt, Vernichtung, Betrug und Grausamkeiten gegen Menschen, Tiere und den Planeten. Sich vorzustellen, dass dieses makabere Erdentheater mit einen Mal ein Ende haben soll, hat vielleicht sogar eine entspannende Wirkung. So wie ein Horrorfilm die Kinobesucher für einige Zeit in eine noch grausamere Wirklchkeit, als das eigene Leben eintauchen läßt, um sie dann wieder in ihren Alltag zu entlassen, der Gott sei Dank, vergleichbar schmerzfrei ist.

Die Frage, ob eine neue Erde und ein neuer Himmel entstehen, hängt wahrscheinlich weitaus weniger von kosmischen Ereignissen ab, als von der Bewusstseinshaltung des Menschen in jedem Augenblick. Das Alte vergeht in jedem gegenwärtigen Moment, um sich im Neuen wieder zu gebären. Der Himmel offenbart sich in der Präsenz des Einzelnen in dem, was jetzt und hier erlebbar ist. Die Erde vergeht im Jetzt und sie entsteht neu im Jetzt.

Der Glaube an den Weltuntergang oder an einen kosmischen Bewusstseinssprung gibt die Verantwortung ab, aus der wir uns als Menschen nicht entlassen können. Und wenn wir genau hinschauen, dann sehen wir, dass der Weltuntergang im Erleben vieler Zeitgenossen, alltäglich ist: Krieg, Hunger, Armut, Gewalt, Ungerechtigkeit, Tod ...

Was ist, wenn wir am 22.12. aufwachen und alles ist beim Alten? Die neuen Bücher (Die Welt nach 2012) sind wahrscheinlich schon gedruckt und die Immer-Alles-Wissenden haben neue Antworten und Hoffnungen parat. Doch niemand kommt an der Wahrheit vorbei, sein eigenes Leben selber leben zu müssen. 

Weltuntergang ist eine innere Bewegung. Laß deine Welt untergehen, auf dass eine neue entstehe.



Samstag, 15. September 2012

Newsletter September 2012


Während eines Gesprächs mit meinem 9-jährigen Sohn am Frühstückstisch erkundigte ich mich, wie es ihm angesichts einer etwas herausfordernden Lebenssituation ergehe. Er überlegte kurz und sagte: "Ich nehme die Dinge wie sie sind und gestalte sie so, dass sie mir gefallen". Ich hielt einen Moment die Luft an und war abwechseln bewegt und erstaunt über diese Weisheit.

Die Dinge anzunehmen wie sie sind, heißt nicht, mich dem schicksalhaften Geschehen willenlos hinzugeben, sondern kreativ und erfinderisch mit dem umzugehen, was das Leben mir anbietet. Mit dieser Einsicht durch das Leben zu gehen ist wie ein 6er im Lotto. Jeder Moment beinhaltet das vollkommene Material, um daraus das zu erschaffen, was für die jeweilige Situation angemessen ist. Für denjenigen, der diese Haltung zum Leben ernst nimmt, erlischt jede Hoffnung auf ein besseres Morgen, denn das maximale Potential entfaltet sich hier und jetzt. Alles Jammern und Beklagen hat ein Ende. Das Füllhorn des Lebens schüttet sich in jedem Augenblick über mir aus. Manche Situationen und Geschehnisse sind unangenehm, Gefühle kommen und gehen, aber zwischen Geburt und Sterben bieten sich stets die Möglichkeiten, das Leben so zu gestalten, dass es mir gefällt. Was ein Glück, wenn nichts mehr im Wege steht. 



Gestalt-Forum Freiburg - Fortbildung in Gestalttherapie
Das diesjährige Sommerintensiv, das ich zusammen mit Xeto Doris Henning in unserem Haus leitete, war ein wunderbares Seminar. Die 14 Teilnehmern und Teilnehmerinnen erlebten einen 9-tägigen Prozess, der persönlich und professionell Quantensprünge ermöglichte. 

Die nächste Gestalt-Fortbildungsgruppe beginnt am 21. November 2012.

Dazu biete ich ein Schnupperseminar am 29. September 2012 an:
Wer Gestalttherapie in Aktion erleben möchte, ist ganz herzlich zu dem Info-Tag von 10:00 bis 18:00 Uhr, eingeladen. An diesem Tag werden wir aus dem reichen Schatz der Gestalt-Arbeit einige Perlen auswählen und erfahrbar machen. Die Elemente der Fortbildung werden vorgestellt und es besteht die Möglichkeit, mich in meiner Arbeit kennen zu lernen.

Die Kosten betragen 50,- €. Bei Abschluss eines Fortbildungsvertrages wird der Betrag verrechnet.
Weitere Infos zur Fortbildung  (Termine, Kosten, Curriculum): www.gestalt-freiburg.de.
Gerne beantworte ich auch Fragen persönlich: 07683 913 642.

Einen kostenlosen Infoabend gibt es am 2. Oktober 2012 um 20:00 Uhr. 



Offene Gestalt-Erlebnisabende in Freiburg
Ab Oktober plane ich in Freiburg, wahrscheinlich in der Egonstraße in der Nähe vom Bahnhof, offene Abende anzubieten. Hier können Menschen Gestalttherapie kennenlernen, sich im Begegnungsraum der Gruppe erfahren und mit eigenen Themen gestalttherapeutisch arbeiten. Die Abende werden ab Mitte 2013 zum Teil auch von FortbildungsteilnehmerInnen unter Supervision geleitet.
19:00 Uhr - 21:30 Uhr, der Wochentag steht noch nicht fest.
Kostenbeitrag: 10,- €
Wenn jemand daran Interesse hat, würde ich mich über eine Rückmeldung freuen.


Gestalt-Netzwerk
Seit einiger Zeit begleitet mich die Vision eines Projektes: ich möchte Gestalttherapeuten, Gestaltberater und Gestaltpädagogen einladen sich zu einem Netzwerk zusammen zu schließen. Ziel und Ausrichtung unserer Vernetzung soll es sein, Gestalt als therapeutischen Ansatz, aber auch als Modell für Gemeinschaft und "Life Style" bekannter zu machen. Wer sich davon angesprochen fühlt und das Netz mitweben möchte, ist herzlich eingeladen, sich  bei mir zu melden.



Angebote von Fortbildungsteilnehmern:
„Halt die Fresse!“ – Schweigen für den Frieden
am Internationalen Weltfriedenstag
21. September 2012, den ganzen Tag auf dem Augustinerplatz in Freiburg.

Komm innerlich und äußerlich zur Ruhe, halte inne, meditiere, sei einfach in Frieden mit Dir und der Welt, sei zufrieden, sei da – ganz wie es Dir schmeckt – für einen Moment, für ein paar Minuten oder Stunden. Für den Frieden.

Alle Kulturen, alle spirituelle Tradition, alle politischen Richtungen – einfach ALLE MENSCHEN – sind eingeladen am 21. September für den Frieden zusammenzukommen! Weltweit finden gleichzeitig hunderte von öffentlichen Veranstaltungen statt:  „Be The Peace – EveryOne Everywhere Together Now“.

Mehr Infos: www.bethepeace.com (International) + www.begegnungsspielraum.de (Freiburg) | Ein Tipp von Klaus Donarski. 


3D - Beziehungsklärung
Im Spagat zwischen Symbiose und Abgrenzung dein Gleichgewicht finden
Als Mensch sind wir in unserem Leben ständig in Beziehung. Wir stehen in Beziehung zu unserem Beruf, zu unserer Familie, zu unseren Freunden, zu unserem Partner, zu uns Selbst. Auch mit Beendet-geglaubtem sind wir oft noch in sehr engem Kontakt, und diese unabgeschlossenen Päckchen beeinflussen unsere gegenwärtige Form auf Menschen zuzugehen und unsere Bereitschaft, uns neuen Erfahrungen zu öffnen.

Was fordern Andere von Mir? Was fordere Ich von Anderen? Und was will Ich eigentlich? Was wünsche Ich mir? Wie geht es Mir in dem 3D-Spannungsfeld zwischen Ich, Du und Wir, zwischen Mir und meiner Welt? Und wie bringe ich Bewegung in dieses System? 

Wir bieten einen Raum, in dem dein eigenes Beziehungsspannungsfeld bewusster erfahren kannst und in dem dir die nächste Schritte, die für dich anstehen, klarer werden. 

Leitung: Beate Schüler & Sebastian Philip
Termin: Sonntag, 30. September, 10-18 Uhr
Kosten: 40 - 80 € nach Selbsteinschätzung. 
Ort: Freiburg



Veranstaltungen der Akademie der Intuition
Solveig C. Thorwart
Intuition - Tagesseminar im Engeldörfle

Bei diesem Schnupperseminar geht es darum, Wege kennenzulernen, wie die eigene Intuition verfeinert und intensiviert werden kann. Wie gewinne ich Zugang zu meiner Intuition? Was sind Einbildungen, Fantasien? Was ist echt? Wie kann ich Hellsehen, Hellfühlen, inneres Hören und ähnliches entwickeln? Das Tagesseminar gibt auch einen Einblick in die Jahresgruppe "Weisheit und Vision des Herzens", die im März 2013 beginnt.

Leitung: Solveig Thorwart, Akademie der Intuition
Datum: Sonntag, 20. Oktober
Ort: Seminarzentrum Engeldörfle, Wegbeschreibung auf Anfrage
Zeit: 10 - 17 Uhr

Finanzieller Beitrag: 45.- EUR, ermäßigt oder bei Doppelanmeldung 35.- EUR
Information und Anmeldung: 07683 - 913641 oder info(at)gemeinsam-erwachen.de
www.gemeinsam-erwachen.de


Grundlagen spirituellen Heilens
Vortrag und Erfahrung

Freitag, 19. Oktober, 19.30 Uhr
Referentin: Solveig Thorwart, Akademie der Intuition
Theoretische Einführung, direkte Erfahrung und Raum für Gespräch
Sonnenraum im Stühlinger, Veranstalter: Verein Kinder der Neuen Zeit
Information & Anmeldung: Bettina Weist, 0761- 700300




Vorschau:

Meine Gestaltkollegin aus Freiburg, Cornelia Grix, lädt ein zu:

7 Schlüssel zur Heilung -
Kabarettistischer Erlebnisabend
zur Eröffnung der Seminarreihe
von und mit Cornelia Grix
& Special Guest
19. Oktober 2012, 19:00 Uhr
WildRose, Vauban-Allee 49, 79100 Freiburg
Eintritt:
12,-/ 10,- Euro
www.heil-kuenste.de



7.-9. Dezember 2012 mit Solveig Thorwart & Damiano Nöthen
Liebe & Partnerschaft – Lebendigkeit, Authentizität und Präsenz
ein Seminar für Paare
Im Dezember findet ein Seminar für Parre statt statt. Reservierungen können wir ab sofort entgegennehmen. Es geht um die (Neu-)Entdeckung von Lebendigkeit in Paarbeziehungen, um einen authentischen und liebevollen Kontakt miteinander und um das Öffnen neuer Räume.





Freitag, 6. Juli 2012

Nichts zu suchen, nichts zu finden - alles da

Wenn du zu dir finden willst, gibt es nur eine einzige Möglichkeit, aber die ist wirkungsvoll. Wenn du die Fülle deines Lebens realisieren möchtest, hast du nur eine Wahl: Dein bedingungsloses JA zu allem, was ist, zu deinem Leben, so wie es sich dir in diesem Moment präsentiert. Dieses Jetzt deines Lebens ist alles, was dir bleibt und das ist alles, was du suchst - und was du findest. Hier beginnt deine Reise und hier endet sie.





Donnerstag, 5. Juli 2012

Aus dem Rezeptbuch für Glückliche


Es gibt nichts zu verändern.
Alles was ich erlebe und was mir widerfährt 
ist genau das, was mir das Leben jetzt zur Verfügung stellt. 
Jeder Moment ist ein gedeckter Tisch voller Speisen, 
die mich nähren, verwöhnen und die mich genießen lassen
– im Überfluss. 
Jeder Versuch, die Gegenwart anders haben zu wollen als sie ist, 
versalzt mir die Suppe. 
Noch einfacher: Das Leben ist, was es ist 
– eine banale Weisheit. 
Und doch steckt in diesem Satz 
das gesamte Rezeptbuch für ein glückliches Lebens. 



Nichts Neues


Das Leben ist ein wunderbarer Freund. Er verschwendet keine Zeit und keine Energie. Er wartet nicht bis du es endlich kapierst, sondern schafft dir unablässig Möglichkeiten und Szenarien, die dich daran erinnern sollen, wer du wirklich bist. Je mehr du dich allerdings gegen dein Wissen sträubst, um so unangenehmer erscheinen dir deine Lebensumstände. 

Dabei ist alles nur entworfen, um dir einen neuen Hinweis zu geben, um dir das Geheimnis des Lebens zu entschlüsseln. Du verstehst nicht, dass alles ein Spiel ist, sondern nimmst es ziemlich ernst. Du hast vergessen, dass du einem Rätsel auf der Spur bist, dessen Lösung das erste ist, was du ursprünglich erfahren hast. Nur kannst du es nicht in Worte fassen. So suchst du. Aber in Wirklichkeit weißt du. 

Und plötzlich oder langsam wird dir bewusst, dass du weißt. Es ist wie eine Ahnung, mal ein Glaube, dann ein Zweifel und jenseits dessen ein stilles Einvernehmen. Aus dieser Stille weitet sich ein Raum, der alles umfängt und in sich trägt. Es ist der Lebensnektar, Substanz ohne Form, aus dem alles geschaffen ist, jede Begegnung, jede zärtliche Liebe, jede schmerzliche Trennung, jeder Schmerz und jede Freude, jeder Atemzug, jedes Sterben. 

Und auf einmal siehst du klar. Das ist es. Kein Zweifel mehr. Du bist weiter der du bist in der Welt, nichts hat sich verändert. Und doch ist alles anders. Kein Drama mehr. Weiterhin Gefühle, weiterhin Emotionen, Gedanken und Zukunftsvisionen und gleichzeitig ist alles umfangen von stillem Wissen darüber, dass es nie ein Rätsel gegeben hat, dass es nichts zu verlieren und nichts zu gewinnen gibt. Jetzt.





Dienstag, 3. Juli 2012

Präsenz - Tiefenschärfe des Lebens


Präsenz gibt deinem Leben Tiefenschärfe. Die Sinne werden klarer, Gefühle und Emotionen werden deutlicher und das Gespür für automatische Reaktionen und Verhaltensweisen wächst. 

Präsent zu sein heißt, dem Leben aufmerksam zu begegnen. Darüber hinaus gibt es nichts, was zu tun wäre. Der Rest geschieht von selbst. 

Aus der Wachheit für den Augenblick ergibt sich, was du als nächstes sagen wirst, wohin du gehst, was du tust und welche Entscheidungen du für die kommende Woche oder das nächste Jahr triffst. Es zeigt sich, welche getroffene Entscheidung jetzt nicht mehr angemessen ist und welche Umstände in deinem Leben nach Veränderung rufen. 

Das Abenteuer ist, dass du bereit bist, dich ganz dem gegenwärtigen Moment ganz hinzugeben, ohne zu wissen, was als nächstes geschehen wird.

Very simpel.





Freitag, 29. Juni 2012

Was ist Gestalttherapie?


(Quelle: Curriculum der Gestaltfortbildung am Gestalt-Forum Freiburg,
www.gestalt-freiburg.de)


Gestalttherapie ist ein anerkanntes und höchst effektives Verfahren, um menschliche Veränderungsprozesse zu begleiten. Ob im therapeutischen Setting oder in der Beratung, in der Supervision oder im pädagogischen Umfeld, Gestalt bietet eine reichhaltige Palette von Ansätzen und Methoden, um die prozessorientierte Begleitung von Menschen wirkungsvoll zu gestalten.

Gestalt ist darüber hinaus eine Lebensanschauung, aus deren Perspektive der Mensch und die Evolution des menschlichen Bewusstseins sinnvoll betrachtet werden kann. Gestalt bietet ein Welt- und Menschenbild an, das umfassend genug ist, um die Dynamik menschlichen Lebens zu beschreiben, ohne limitierende Kategorien dazu zu verwenden. Im Mittelpunkt der Gestalttherapie steht die Beziehung zwischen den Menschen, die sich begegnen. Grundlegend für diese Beziehung ist eine Haltung, in der es keine Hierarchie gibt, sondern Therapeut und Klient sich als gleichwerige Personen begegnen.

Gestalt lässt dem Menschen seine Einzigartigkeit und macht nicht den Versuch die Komplexität zu vereinfachen. Die Erkenntnismodelle der Gestaltpsychologie und der praxisbezogene Ansatz der Gestalttherapie würdigen das Geheimnis und die Unkontrollierbarkeit des Lebens und seiner vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten. Sie bieten eine Sichtweise, das Leben in seinem momentanen Geschehen zu vergegenwärtigen.


Aus einem gelebten Gestaltansatz entsteht ein Wirklichkeitsmodell, dessen wichtigstes Prinzip die Wandelbarkeit ist. Leben ist hier und jetzt. In diesem Moment finden herausfordernde Situationen und deren Lösungen statt. Die Vergangenheit ist nur insofern für das gegenwärtige Erleben von Bedeutung, als dass sie in den Grundüberzeugungen und Glaubenssätzen wirksam ist, die uns als Vorlage zur Konstruktion der eigenen Realität dienen. Das Leben selber ist jeden Moment frisch und neu. Wie unsere Wirklichkeit ihre unverwechselbare Gestalt annimmt und wie wir darauf Einfluss nehmen können, dass sich unsere gelebte Realität unseren Bedürfnissen und dem Fluss des Lebens anpassen kann, vermittelt der Gestaltansatz.

 

Die Anfänge

Als sich die Gestalttherapie noch in den Kinderschuhen befand, waren die Gestaltpioniere ursprünglich nicht daran interessiert, eine neue psychotherapeutische Theorie zu formulieren. In der Zeit des jungen 20. Jahrhunderts, war auf allen Ebenen des menschlichen Zusammenlebens viel in Bewegung und so wollten sie einen Therapiestil entwickeln, der die damals wichtigsten wissenschaftlichen und philosophischen Erkenntnisse im Dienste der Praxis integrierte. Im Zentrum stand vor allem die Überzeugung, dass der Mensch mehr als eine Maschine ist, bei der man lediglich einige Ersatzteile auswechseln muss, um sie wieder funktionstüchtig zu machen. Der Organismusgedanke, der die systemische Verwobenheit aller Lebensphänomene rückte in den Vordergrund: Der Mensch wird als „Organismus in seiner Umwelt“ betrachtet, dessen Grundtendenz es ist, sich stets als Ganzheit zu organisieren (Holismus) und ein flexibles Gleichgewicht aufrecht zu erhalten (Homöostase). Die antike Weisheit „alles fließt“ wird nun aus wissenschaftlicher Sicht neu beschrieben.

Fritz Perls (1893-1970), der neben Laura Perls und Paul Goodman als Begründer der Gestalttherapie gilt, schöpfte bei seiner Entwicklung aus verschiedenen Traditionen und fügte die Elemente, die er in seinem Leben als sinnvoll und praktikabel erfahren hatte, zu einer neuen Ganzheit, zu einer völlig neuen Form von psychotherapeutischem Kontakt zusammen.
"Fritz Perls"
von Otto Dix
 
Die klassische Psychoanalyse (Freud, Harnich, Deutsch u.a.), Wilhelm Reichs Charakteranalyse, Existentialistische Philosophie (Buber, Scheler, Tillich), Gestaltpsychologie (Wertheimer, Köhler), Zen-Buddhismus, Taoismus und nicht zuletzt Perls jüdische Herkunft und seine Erfahrungen in den Weltkriegen sind der Boden, auf dem und aus dem heraus Gestalttherapie zu wachsen begann.

Gestalten vor meiner Tür - Das Spiel mit Figur und Grund

Die Gestaltpsychologie hat gezeigt, dass unsere Wahrnehmung keine 1:1-Darstellung der Welt ist. Die Informationsverarbeitung läuft als komplexer Prozess nach bestimmten Prinzipien ab, bei dem aus der Fülle der Informationen ein stimmiges Bild von der Realität konstruiert wird.. Es bildet sich für das individuelle Bewusstsein jeweils eine „sinnvolle Ganzheit“ heraus, die als „Gestalt“ bezeichnet. wird. Wie wir die Welt betrachten und was uns als wirklich erscheint, wird durch kollektive Paradigmen und individuelle Erfahrungen bestimmt. Wie dramatisch sich die Weltsicht verändern kann zeigt z. B. die Erkenntnis, dass die Erde keine Scheibe, sondern rund ist. Alle Phänomene werden nach dieser umwälzenden Einsicht in einem neuen Licht gesehen und die Weltanschauung strukturiert sich neu.

Ein Prinzip, das die Gestaltung und Konzeption unserer persönlichen Wirklichkeit beeinflusst, beschreibt die Gestaltpsychologie als „Figur-Grund-Wechsel“: „Figur“ bezeichnet das, was in unserer Aufmerksamkeit in den Vordergrund tritt. Alles übrige bildet so lange den Hintergrund, bis sich unser Fokus etwas anderem zuwendet und dies nun aus dem Hintergrund hervortritt und zur Figur wird. Was jeweils ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt, hängt von vielen Faktoren ab. Vor allem ist es das jeweilige Bedürfnis, das die Art und Weise bestimmt, wie wir die Welt wahrnehmen. Mit hungrigem Magen gehe ich anders über einen Gemüsemarkt als wenn ich mich dort mit meiner Liebsten verabredet habe. Das im Vordergrund stehende Bedürfnis (Figur) bestimmt den Fokus der Wahrnehmung und ordnet die Informationen derart zu einem Gesamtbild der Wirklichkeit, dass es zu einer Befriedigung des Bedürfnisses kommen kann. Das Übrige tritt bedeutungslos in den Hintergrund (Grund).

Die Entdeckung von Perls und seinen Kollegen war das Phänomen der „unabgeschlossenen Situation“ oder „offenen Gestalt“ (unfinished business). So bezeichneten sie die Dynamik, die entsteht, wenn emotionalen bzw. psychischen Bedürfnissen nicht ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt wird. Das Übergehen von Gefühlen, bewegenden Erlebnissen oder dramatischen Situationen führt dazu, dass Lebenssituationen unabgeschlossen im Raum des Unbewussten abgelegt werden und sich auf das gegenwärtige Erleben der Realität auswirken. Wenn auch vergangen, drängen die alten Geschichten in unserem Leben nach Beendigung: Die nicht geweinten Tränen, die verschluckte Wut, die unausgedrückte Liebe stehen gleichsam Schlange vor unserer Tür und nutzen jede Gelegenheit anzuklopfen oder gar mit der Tür ins Haus zu fallen. Mit anderen Worten: Diese Situationen unserer Vergangenheit bestimmen unser Leben und rufen sich immer wieder in Erinnerung; solange, bis sie abgeschlossen sind. So wird z. B. die nicht gelebte Trauer über den Verlust eines Menschen oder die Wut über eine Verletzung solange an uns nagen, bis wir sie gefühlt und abgeschlossen haben.

Die Brille, durch die wir die Welt betrachten ist durch unsere offenen Gestalten eingefärbt. Sie sorgt dafür, dass wir unsere Realität so wahrnehmen, dass sie unserem Lebens-Drehbuch entspricht. Wir überzeugen uns also permanent selber, dass die Welt tatsächlich so ist, wie wir sie sehen. Wir haben uns in einem Leben eingerichtet, in dem alles schlüssig erscheint und seinen Platz hat – auch unser Unglück, unsere Sehnsüchte und Unzufriedenheiten. Was ist, wenn wir plötzlich entdecken, dass die Welt anders sein könnte, als sie uns erscheint? Indem wir unseren unabgeschlossenen Situationen auf die Spur kommen, erwecken wir das Potenzial zu einem neuen Leben. Gestalttherapie zeigt, dass wir uns glücklicherweise nicht auf die Reise in die Vergangenheit zu machen brachen. Wir können zuhause bleiben, und dieses Zuhause ist das Hier und Jetzt, der gegenwärtige Moment. Im Hier und Jetzt finden wir alles, ob es nun vier Wochen oder zwanzig Jahre zurückliegt.

Leben findet immer jetzt statt. Die Entwicklung von Bewusstheit (awareness) und ein lebendiges Verständnis für die Gegenwärtigkeit (das Augenfällige und an der Oberfläche Liegende) ist der erste wesentliche Schritt in Richtung auf größere Flexibilität und Stabilität. Der Dreh- und Angelpunkt der Gestalttherapie ist die Gegenwart. Präsenz im gegenwärtigen Moment richtet das Bewusstsein an seinem ursprünglichen Wesen aus und ermöglicht, dass die ursprüngliche Ganzheit wieder neu erstrahlen kann. Veränderung bedeutet in diesem Sinn, Bewusstwerdung dessen, was das leben in allen Facetten ausmacht. Wünsche und Bedürfnisse werden klar, neue Lebensstrategien zur Verwirklichung des eigenen Potenzial werden umgesetzt, überkommene Lebenskonzepte werden losgelassen oder neu formuliert und die Verantwortung für die offen gebliebenen Situationen der eigenen Lebensgeschichte wird übernommen.

Kontakt findet an der Grenze statt
Die Würdigung des Unterschiedes
Gestalttherapie bedeutet vor allem menschliche Begegnung. Die Voraussetzung dafür, dass Menschen im therapeutischen Setting ein waches Bewusstsein für sich selber entwickeln, ist ein lebendiger Kontakt*. Die direkte Begegnung mit dem Menschen, der zu uns kommt, schafft den Raum für Veränderung. Alles, wonach er sich sehnt, was er erhofft und befürchtet, was ihn hemmt und was ihn antreibt, ist in dem Moment präsent, in dem wir uns begegnen. Kontakt ist das gelebte Jetzt. Aus dem Ich und Du entsteht eine völlig neue Qualität: das Wir.

Nur dort, wo Unterschiede wahrgenommen und wertgeschätzt werden, können sich Menschen begegnen und aus dieser Begegnung volles Leben schöpfen. Die Gestalttheorie drückt das in dem Satz aus: „Kontakt findet an der Grenze* statt“. Die Funktion der persönlichen Grenze ist nicht in erster Linie Schutz oder Verteidigung. Eine Grenze bietet Berührungspunkte. Sie ermöglicht Begegnung und letztlich das Abenteuer der Liebe. Im gestalttherapeutischen Kontakt wird diese Grenze erlebt und erfahren.. Die Würdigung des Unterschieds ermöglichet die Verbindung. Individualität tritt aus der Vielfalt hervor und ermöglicht so Gemeinschaft. Wir verbringen normalerweise viel Zeit und Energie damit, den Kontakt an der Grenze nicht zuzulassen. Ängste und Befürchtungen, gespeist aus Erlebnissen der Vergangenheit, sorgen dafür, dass wir uns auf vermeintlich sicheres Terrain zurückziehen. Die Gestalttherapie richtet den Fokus auf die Mechanismen, die wir geschaffen haben, um Kontakt zu vermeiden. Wir fragen dabei nicht nach dem Warum, sondern nach dem Wie, und nutzen die kreative Energie, die in der Vermeidung* von Kontakt gebunden ist und geben ihr ein neues Wirkungsfeld.

Nicht zuletzt ist für uns die Transpersonalität des Gestaltansatzes bedeutsam. Gestalt lehrt uns, vom Individuum aus in zwei Richtungen zu schauen: nach innen in die Tiefe und nach außen in die Weite. „Innen“ finden wir das unberührte Wesen menschlichen Lebens, die Antworten auf unsere Fragen nach dem Woher und Wohin, die Quelle unserer Lebensweisheit. „Außen“ begegnet uns die Fülle der Lebensformen, die Vernetzung und das gegenseitig bedingte Entstehen aller Lebensphänomene. Beide Richtungen weisen über unsere Individualität hinaus und geben eine Ahnung von unserem Eingebettet sein in ein noch größeres Ganzes.




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